«Räumliche Wahrnehmung ist kein gerichteter Prozess, kein stetiger, kein kontrollierbarer Prozess. Die Rolle des Vorwissens, der Erfahrung, der momentanen Verfasstheit, der Assoziations- und Reaktionsfähigkeit auf Auslöser – auch wo diese von Gestaltern absichtsvoll eingesetzt sind – verändert sich situativ. Die Empfänglichkeit für Wirkungen ist wechselhaft und ungesichert.»
Elisabeth Blum, Atmosphäre. Hypothesen zum Prozess der räumlichen Wahrnehmung, Baden 2010
Wenn wir uns in unserer räumlichen Umwelt bewegen, sammeln wir – bewusst und unbewusst – Informationen über diese. Diese Informationen werden in eine räumliche Vorstellung, in eine «kognitive Karte» übersetzt. Im Prozess des «kognitiven Kartierens» wird die Vorstellung stetig ergänzt und verfeinert. Markante Orte und herausragende Gebäude sind Schlüsselpunkte. Der Streckenplan der persönlich zurückgelegten Wege wird aufgrund von Erfahrung zu einem räumlichen Bezugsnetz verknüpft. Die Abbildung, die im Kopf entsteht, hat eine persönliche Ausprägung (je nachdem, welche Wege man häufig geht) und weist Verzerrungen und weisse Flecken auf. Die «kognitiven Karten» sind die Grundlage der Orientierung im Raum. Mit ihrer Hilfe lokalisieren wir unser Ziel und entscheiden, welchen Weg wir wählen. Auf dem Weg zum Ziel wird die Umwelt immer wieder gelesen und überprüft, ob man sich noch auf dem richtigen Weg befindet. Die Art der Fortbewegung hat einen grossen Einfluss auf das entstehende Bild. Den direktesten Kontakt mit der Umwelt bietet das Gehen. Hier kann die räumliche Abfolge und die Geschwindigkeit einer Erfahrung aktiv gesteuert werden. So entstehen sehr differenzierte «Karten».
Vgl.: Peter G. Richter (Hg.), Architekturpsychologie, Lengerich 2004
Jedes Jahr 1 Schneegedicht.
Texte: Marie-Anne Lerjen
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alles schneebedeckt, diese
schneemassen.
dazu schneetreiben, monochrom.
mit laufwiderstand
zu erfahrungen
von schnee.
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wasserdampfmoleküle
lagern sich an
eiskeime
gasförmig wird fest
immer im sechseck
schneekristalle
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auf der höchsten spitze des berges herr tyndall
ein schauer von gefrorenen blumen
alle sechsblättrig seitlich wie farnkräuter
abgerundet pfeilartig gezahnt
liebliche frostblüthen
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bei minus zwanzig grad
der apparatus von dr. ukichiro nakaya
die spitze eines kaninchenhaars
bindet kristallform
erster künstlicher schnee
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schnee
weiss
alles
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schnee fiel. viel schnee. es war
wie ein verabredetes zeichen.
sie nahmen ihre schneeschaufeln
und trafen sich auf der grossen,
offenen brache. dort bauten sie
eine stadt aus schnee.
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es ging um schnee
doch es schneite nicht
wir gingen
es war ende oktober
es ging um schnee
doch es schneite nicht
und scheinte doch unentwegt
in bildern