Alles zwei Jahre findet in Zürich die Aktion Hofgesang statt. Chöre verlassen ihre Proberäume und lassen die Zürcher Innenhöfe erklingen. Bereits zum dritten Mal waren die Künstlerinnen Ida Dober und Marie-Anne Lerjen mit ihrem Ad-hoc-Kanon-Chor dabei und luden zu einem gesanglichen Raumexperiment in einem aussergewöhnlichen Innenhof. Dauer 25 Minuten.
Konzept: Ida Dober, Marie-Anne Lerjen
Sängerinnen: Ida Dober, Tanja Gentina, Franziska Gugger, Regula Heinss, Marie-Anne Lerjen, Susanne Kipping, Sabine Witt
Raumkanon III
Montag, 23. Mai 2016, 19.30 Uhr
Treffpunkt: Juno-Brunnen bei Paradeplatz, Zürich
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Hofgesang 2014: Raumkanon II
Hofgesang 2012: Raumkanon
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«Sechs Frauen klettern eine Feuerleiter hoch, in einem namenlosen Hinterhof mit zahlreichen Lüftungskästen, wenige Meter vom edel gestalteten Münsterplatz entfernt. Von der Feuerleiter herab singen sie mehrstimmig und in vier Sprachen: ‚Nicht hinauslehnen‘ und auch ‚Ne pas se pencher en dehors‘. So gewöhnlich der Text und der Ort scheinen mag, so ungewöhnlich und einfallsreich die Inszenierung: Auf diese wenigen Zeilen und eine knappe Melodie reduziert, variiert der Chor diese Liedzeilen, etwa indem er sie zerstückelt. Zu Beginn echot von unten eine Sängerin den Chor – oder gibt sie vielmehr Anweisungen? Die ZuhörerInnen dürfen sich bewegen, suchen ihren Standort in diesem Hof, der als langgezogener, schmaler Raum an einen Zug erinnert. Gegen Ende dieser inspirierenden Performance lehnen sich die Sängerinnen weit über das Geländer und unterlaufen so die Aufforderung, die sie selber singen. Dieser Gebrauchstext, den ich früher zig Male in der Bahn gelesen habe, erscheint so überraschend als armseliger Aufruf zum risikoarmen Leben. Das fein inszenierte Gesangsstück hat mich damit an diesem für gewöhnlich unbeachteten Ort zu lustvoller Aufmüpfigkeit ermuntert – was will Kunst mehr?»
Lukas Kistler
Foto: Georg Aerni